Zum Jahreswechsel 2016/17 wurde endlich unser bisher größtes Projekt fertig: die neue Schulküche samt Sanitärbau. Aber nicht nur das: auch mein persönlicher Wunschtraum wurde Wirklichkeit, eine Gartenhütte am Fuße des Mount Kenya. Lange hatte ich ein Grundstück gesucht, hier und da etwas gezeigt bekommen, was aber nicht passen wollte. Bis Francis mir vor zwei Jahren zum wiederholten Male einen Teil seines Grundstückes anbot. Und siehe da, bei näherem Hinsehen war das Grundstück genau richtig für mich: unweit des Kindergartens, am Rande der Besiedelungsgrenze und welch ein Ausnahmefall: ungefähr 20 Meter vom nächsten Bächlein entfernt: einfach zwei Stufen hinuntersteigen, Gießkanne vollschöpfen, fertig!
Mittlerweile hatte ich mehrere Male Bäume und Sträucher gepflanzt, das Gelände eingezäunt und die Gießerei während meiner Abwesenheit organisiert. Und dabei im Kopfe Pläne über eine Hütte gemacht. Ilja Borgböhmer war 2008 einer unserer ersten Praktikanten in Kenya und hatte mittlerweile nicht nur die Schule, sondern auch eine Lehre als Zimmerer abgeschlossen. Und sein Interesse signalisiert, meine Hütte zu bauen! Obwohl wir ansonsten vorwiegend mit kenianischen Handwerkern arbeiten, erschien es mir in diesem Fall doch etwas zu schwierig, meine privaten Befindlichkeiten in einer fremden Sprache auszudrücken, die auch von den lokalen Handwerkern nur bruchstückhaft gesprochen wird. Bei uns ist es ja eher so, dass wir einem Fachmann unsere Wünsche und Bedürfnisse äußern – und dieser dann brauchbare Vorschläge dazu entwickelt. In Kenia dagegen setzt der Arbeiter nur genau das um, was er angewiesen bekommt: wenn er also 5 Latten 2 x 3 Inch bestellen soll, bestellt er diese. Oder er hat sich unterwegs etwas anderes überlegt und sich seine eigenen Gedanken dazu gemacht, dann werden es halt 4 oder 6 Latten. Oder er hat die Ansage gar nicht verstanden, möchte dies aber nicht gerne zugeben. Das war mir dann doch eine Nummer zu schwierig als Privatperson ohne unseren Projektmanager als Bauleiter und so war ich froh über das freundliche Angebot eines mir bekannten deutschen Handwerkers!
Als wir im Dezember 2016 dann zu dritt in Kenia waren, hatte ich eigentlich recht wenig Zeit, um über meine Hütte nachzusinnen. Die Schulküche musste ja bis zum Jahresende fertig werden und da waren noch viele Fragen und Details offen, die die volle Aufmerksamkeit unseres Architekten Klaus Pastner und mir benötigten. Ilja verließ die gemeinsame Wohnung täglich vor acht am Morgen mit geladenem Akkuschrauber und Handyakku. Wenn es ging, schauten Klaus und ich auch mal kurz auf „meiner Baustelle“ vorbei, um uns dann wieder den täglichen Herausforderungen zu widmen. Manchmal auch nicht – warum auch – es lief ja alles wie am Schnürchen. Hin und wieder fragte Ilja abends auch mal nach „willste es so oder so haben?“ – aber am Ende wusste er ja mehr als ich selbst. Die Tage vergingen wie im Flug und schon waren 4 Wochen vorbei – und Klaus und ich mussten die Heimreise antreten, während Ilja noch blieb, um meine Hütte fertigzumachen. Und welch eine Freude: pünktlich zu meinem 53. Geburtstag kam ein Foto: fertig! Lustig war nur, dass Ilja gar nicht wusste, dass es mein Geburtstag war. Hatte sich halt so ergeben.
Nun war also mein Traum fertig: und ich hatte ihn noch nie „in echt“ gesehen! Das war natürlich eine Herausforderung, der ich nicht allzu lange standhielt. Immer mit Blick auf den Terminkalender, wann sich eine günstige Gelegenheit bot, mal eben kurz für 2 Wochen wegzukönnen, boten sich dann die Pfingstferien an. Also Flug buchen und den Koffer voll mit Einrichtungsgegenständen und meiner für diesen Zweck angeschafften Permakulturliteratur. Und noch so einiges, was auf dem heimischen Bücherschrank keinen Platz mehr gefunden hatte. Sicher hatte ich den ganzen Tag Zeit zum Lesen!
Und welch ein Erlebnis: alles passte perfekt. Durch das Hochstellen der Hütte auf Betonfundamente war der Raum warm und trocken – und im Gegensatz zum Office in Timau fast völlig staubfrei. Ilja hatte nach eigenem Gutdünken noch einige Regale und Bretter angebracht – alles dort, wo es sein sollte. Und auch der „Sanitärbereich“ – der kritischste Punkt des ganzen Bauvorhabens und einer der wesentlichen Gründe, um nicht mehr vorwiegend in gemieteten Unterkünften zu wohnen – stellte seine Praxistauglichkeit schnell unter Beweis. Eimerdusche im abgetrennten Hinterteil der Hütte – und das Wasser läuft durch die weitere Lattung einfach nach unten ab und diese ist aufgrund der Witterung sofort wieder trocken. Und die Komposttoilette ist ebenso praktikabel und hygienisch für die Privatnutzung. Und natürlich die Sitzbereich vorne mit Ausblick auf den Mount Kenya!!
Meinen ersten Abend verbringe ich dann bei Mondlicht in eine Decke gewickelt alleine auf der Veranda und lausche den Geräuschen um mich herum: Hundegebell, Motorradgeknatter, menschliche Stimmen aus den Hütten der Nachbarschaft. Und das alles fühlt sich nicht einmal mehr im Entferntesten wie eine fremde Welt an – es sind gewohnte Klänge der zweiten Heimat.
Am nächsten Morgen begrüßt mich Francis mit einem breiten Grinsen im Cybercafe: „Na, wie war die erste Nacht? Kalt?“. Und recht hat er: es war wirklich verdammt kalt. Ich bin sogar nochmals aufgestanden, um meine Wärmflasche nachzuwärmen. Aber das bekomme ich schon noch in den Griff: muss halt noch eine zweite Bettdecke her. Jetzt verstehe ich auch den Unterschied zwischen einem Steinhaus und einer Holzhütte. Und vielleicht hat Evangelina doch nicht so ganz unrecht, wenn sie sagt: „man muss abends ordentlich essen, damit man nachts nicht friert!“ Jedenfalls entwickle ich in den zwei Wochen sogar eine gewisse Zuneigung zu der ständig gefüllten Teekanne der Kenianer. Als ich meinem Mann gegenüber erwähne, dass es nachts kalt ist, kommt prompt die Antwort eines deutschen Ingenieurs: „Kalt? Wie kalt? Hast Du kein Thermometer??“. Doch, habe ich – also: nachmittags 24°C in der Hütte, abends nach Sonnenuntergang 18°C, am nächsten Morgen noch schattige 11°C innerhalb – und oh! – 6°C außerhalb der Hütte. Jetzt weiß ich auch, warum mir in den frühen Morgenstünden doch etwas kalt ist. Und warum die Einheimischen mein Traumgrundstück ungern als Bauplatz nutzen – das nahe Wasser hat wohl auch so seine Nachteile!
Überhaupt stellt sich das Leben und auch meine Sichtweise den Menschen und unserer Projektarbeit gegenüber nun ganz anders dar. Ich gehöre jetzt zum Dorf, man sieht mich arbeiten, essen, lesen, weiß, wann ich aufstehe und zu Bett gehe, wann ich da bin und wann nicht. Und man nimmt lebhaft Anteil an meinem Dasein – und auch am Anderssein. Außerdem lässt sich bei einem entspannten Privatbesuch auch mal einiges fragen und erklären, Tee, Milch und ausreichend Zucker ist deshalb ein unbedingtes Muss in meinem Vorrat. Manch einer probiert gerne auch von meinem Kaffee – den habe ich aber von zuhause mitgebracht -gewachsen ist er allerdings in Tanzania. Und ich verstehe nun auch manches besser – und wundere mich, wie viele Eimer Wasser ich alleine doch brauche, auch wenn ich nur einmal rund um die Hütte muss, um das Wasser aus der Regentonne zu holen. Sauberes Wasser. Wie wäre es erst, wenn ich mir braune Brühe aus einigen Kilometern Entfernung holen müsste?
Trotz aller Privatheit gibt es natürlich auch im Kindergarten noch einige Aufträge zu erledigen. Allen voran die Regenwassernutzung. Außerdem stelle ich zu meinem Erstaunen fest, dass der Wasseranschluss in der neuen Küche noch nicht optimal läuft, da durch die Wasserrationierung nur jeden 4. Tag Wasser aus der Leitung kommt – die restlichen Tage muss das Wasser aus dem Speichertank genutzt werden – mit Wasserschlauch oder Eimer. Und somit läuft auch kein Wasser durch die neue Solaranlage. Das ist schlecht für die Anlage und muss schnellstmöglich geändert werden.
Im Vorfeld gab es schon einige Diskussionen, wie man das Regenwasser am besten sammeln und verwenden könne. Seit 2015 schreibt Gärtnerin Mary jeden Tag zuverlässig die Regenmengen auf und das Ergebnis ist doch sehr beeindruckend: ca. 2.500 bis 3.000 Liter pro Quadratmeter und Jahr, in Bayreuth sind es ca. 750 Liter. Auf den beiden Hauptdachflächen der neuen Klassenzimmer und der Küche kommen somit ca. 300 m³ pro Halbjahr zusammen, die man sinnvollerweise für den Gemüsegarten nutzen könnte. Aber wie speichern? Der größte Tank im Kindergarten fasst 10 m³ – das wären also 30 solcher Riesen-Plastiktanks. Aber da muss das Wasser dann ja auch erst einmal rein, also müssten die Tanks in den Erdboden eingegraben werden, da sich die Dachrinnen auf einer Höhe von ca. 2,5 m befinden. Die Frage wäre dann aber: wie wieder raus – ohne Strom und somit ohne Pumpe? Und wohin, wenn die Tanks voll sind – ohne Abwassersystem?
Bei einiger Internet-Recherche bin ich durch Zufall auf ein Projekt der deutschen „Ingenieure ohne Grenzen“ in der Nähe von Nyahururu gestoßen. Der Verein errichtet dort gemauerte Zisternen für den Hausgebrauch. Vielleicht lässt sich ja etwas abschauen und ein Kontakt zu kenianischen Facharbeitern herstellen? Francis erklärt sich zu einem gemeinsamen Besuch bereit und wir machen uns auf die Reise: ohne Navi, aber mit ungefähren Vorstellungen des Zieles. Zur Mittagszeit kommen wir dann in der Gehörlosenschule in Sipili an. Dort weiß man zwar nichts vom Wasserprojekt, lädt uns aber erst mal zum Mittagessen ein. Und siehe da: einer der Anwesenden kennt einen Bekannten von Francis in Timau, über weitere Nachfragen erinnert man sich dann auch an die Deutschen Mitarbeiterinnen der Ingenieure ohne Grenzen. Als wir dann die Internetseite im Handy nochmals aufrufen, erkennt eine Lehrerin ihre Schwester auf dem Foto – und erklärt und sich sofort bereit, uns zu ihr zu bringen. Aber vorher müssen wir natürlich noch die Schule besichtigen: ungeplant – aber bewegend: Gehörlose – wie eigentlich alle Behinderte – haben in Afrika generell sehr schlechte Bildungschancen, so gibt es auch sehr wenige Spezialschulen und diese sind entsprechend schlecht ausgestattet. Umso mehr beeindruckt das ungeheurere Engagement des Schulleiters, für seine Schützlinge das Beste herauszuholen. Natürlich hofft er auch auf Unterstützung von unserer Seite. Die Schule ist seit Monaten ohne Wasser – nur weil die Wasserpumpe kaputt ist und niemand in der Lage, diese zu reparieren. Es gäbe fürwahr viele Aufgaben für Menschen, die einen Aktivurlaub bevorzugen.
Danach geht es dann zu Christine und ihrer neuen Zisterne, die sie uns stolz zeigt. Francis hat die Möglichkeit, mit einem der Nachbarn zu sprechen, der beim Bau mitgeholfen hat. Für die Familie ist die Zisterne ein großer Fortschritt. Aber für uns wird ziemlich schnell klar, dass die Bauweise zwar kostengünstig und somit auch für einfache Leute erschwinglich ist, unseren Bedürfnissen aber nicht gerecht wird. Außerdem erfahren wir, dass der Konstrukteur in Nairobi sitzt, diesen anzutreffen war eigentlich unser Hauptanliegen. Später sagt man uns, dass es eh nicht ratsam gewesen wäre, mit ihm zu arbeiten. Somit endet dieser Ausflug etwas enttäuschend, ich vereinbare später aber trotzdem ein Treffen zuhause in Deutschland mit Mareike, der zuständigen Bauingenieurin, auch wenn es nur um den Austausch von Erfahrungen geht – lernen kann und sollte man immer!
Daneben steht die weitere Entwicklung des Kindergartens in Kongoni auf der Agenda. Unsere Baumaßnahmen haben natürlich auch die Aufmerksamkeit des zuständigen Schulleiters der Primary School in Timau geweckt. Immer dringlicher wird dort der Bedarf nach neuen Klassenräumen. Die Schülerzahl hat so stark zugenommen, dass mittlerweile teilweise schon Klassenstärken von 100 Schülern erreicht sind! Seit längerem wird der Wunsch an uns herangetragen, in Kongoni auch Räume für den Grundschul-bereich bereitzustellen, um die Schule in Timau zu entlasten, die Kosten für die Lehrkräfte würden von staatlicher Seite getragen.
Wir vereinbaren ein weiteres Treffen zur Offenlegung unserer Finanzen. Momentan besuchen 80 Kinder den Kindergarten in Kongoni, bei einer Erweiterung um einen Grundschulbereich wären dies mindestens 200 Kinder. Auch wenn der Bau weiterer Klassenräume finanziell zu bewältigen wäre – ein wesentlicher Teil unsere Ausgaben bestehen in der Mittagsverpflegung und den medizinischen Untersuchungen. Kann man 80 Kindergartenkindern Essen geben – und 120 Grundschulkinder müssen zusehen? Kann man nicht – soweit ist man sich am Ende der Beratungen einig. Und unser Verein hat momentan nicht die Kapazitäten, um das Essensprogram auf eine solche Kinderzahl aufzustocken. In diesem Zusammenhang geben die Frauen des Elternrates zu bedenken, dass es immer noch Kinder im Dorf gibt, die die Einrichtung aus finanziellen Gründen überhaupt nicht besuchen können. Francis und ich drängen auf eine stärkere Mitwirkung des lokalen Schulkomitees in Fragen der Verteilung der Finanzmittel – natürlich ein heikles Thema. Wenn es um die Einschätzung von Bedürftigkeit geht – wer will dies entscheiden, ohne sich den Unmut der Dorfgemeinschaft zuzuziehen? Dennoch führt aus unserer Sicht kein Weg vorbei an mehr Transparenz und lokaler Mitbestimmung – das einzige Mittel zur Vermeidung von Korruption und dem Auseinanderdriften von Arm und Reich. Ein Anfang ist jedenfalls gemacht – und wir werden bei jeder folgenden Entscheidung immer wieder in diese Richtung verweisen.
Mein persönliches „Highlight“ in Sachen Projektarbeit kam allerdings völlig unerwartet. Schon des längeren hatte es in der „Girl´s Hut“ Unzufriedenheiten der Mädchen bezüglich der mehr oder weniger regelmäßigen Treffen gegeben. Das Thema „Gesundheitsvorsorge“ wurde wohl in der Theorie in den Schulen ausreichend behandelt – aber obwohl die Praxis dann oft anders aussah, fanden die Mädchen die Belehrungen diesbezüglich anscheinend wenig attraktiv und die Teilnahme ging stark zurück. Wir diskutierten das Thema ausführlich in der Vorstandschaft, ohne allerdings zu einem vernünftigen Entschluss zu kommen. Kurz nach meiner Ankunft in Timau baten mich die größeren Mädels dann um einen Besprechungstermin, in dem sie mir ihre Unzufriedenheit mit der Situation darstellten. Bereits im April hatten sie sich gegenüber Patricia und Salome – den beiden Leiterinnen der Mädchenhütte – durchgesetzt mit ihrer Forderung nach Mathe- und Chemienachhilfe in den Ferien. Nun konfrontierten sie mich mit dem Anliegen, im Juni eine Woche und während der Augustferien vier Wochen Nachhilfe zu erhalten – und das in Zukunft selbst zu verwalten. Das darauf folgende Gespräch mit Patricia und Salome war offen und fair. Die beiden stimmten sofort zu, dass ihr Engagement keinen Sinn mache, wenn die Mädchen selbst dies nicht wünschten. Für mich kam das etwas überraschend, da streitet man in Deutschland sehr viel länger um den Erhalt von Arbeitsplätzen – auch wenn alternative Einkommensmöglichkeiten oft wesentlich aussichtsreicher sind als in Afrika – und es hat mich doch sehr beeindruckt!
Um mich von dem Konzept zu überzeugen, luden mich die Mädchen ein, am Chemiepraktikum teilzunehmen. Eine Stunde später als vereinbart – die Verhandlungen mit dem Schulkomitee waren langwierig gewesen – kam ich dann ziemlich abgehetzt in der Mädchenhütte an – mittags kurz nach zwölf. Da saßen die fünf Oberstufen-Schülerinnen mit ihrem Lehrer seit 8 Uhr am Morgen – zuerst zwei Stunden Mathe – kurze Pause – dann noch zwei Stunden Chemie-Praktikum. Der Lehrer unterrichtet ansonsten an der Katholischen Mädchenschule in Timau und hatte seine ganze Ausrüstung dabei: Bunsenbrenner, Reagenzgläser, Früchte, Chemikalien. Es ging um die Feststellung bestimmter Inhaltsstoffe (Zucker, Säuren etc.) in Flüssigkeiten – Prüfungsstoff für die Abschlussprüfung an der Secondary School. Die Prüfungsnoten hierbei bestimmen über den weiteren Bildungsweg der Schüler – das ist den Mädchen durchaus bewusst. Die Stimmung schlägt mich sofort in Bann: wie kann man nach 4 Stunden Unterricht noch so begeistert bei der Sache sein? – alle Schülerinnen sind voll konzentriert im Thema, trotzdem herrscht ein offener, freundlicher Umgangston, es wird viel gelacht – aber auch viel gefragt – immer und immer wieder – bis es verstanden ist! Ja – das ist es, was wir wollten: die Mädchen müssen sich an der Sache weiterentwickeln – nach vorne, nicht in Verboten, sondern an ihren Möglichkeiten und den Anforderungen der Gesellschaft entlang – dann sind sie auch bereit, an ihren Schwachstellen zu arbeiten. Der Lehrer hält einen freundlichen und respektvollen Umgangston – aber immer schön sachlich und Distanz wahrend. Welch ein Unterschied zu den Treffen der Vergangenheit, als es darum ging, das Privatleben der Mädels zu diskutieren – mit gesenkten Blicken und wenig Bereitschaft, mehr als das unbedingt Nötigste von sich preiszugeben. Und wie sich alles so fügt: kurz vorher hatte ein Schülerprojekt des RWG in Bayreuth die benötigten Mittel für den Nachhilfeunterricht bereitgestellt. Manchmal lösen sich Dinge einfach fast von selbst.
Andere Dinge müssen allerdings aktiv gelöst werden – so z.B. die fehlende Wasserzufuhr der Solaranlage in Kongoni. So einfach wie bei uns ist die Situation eben nicht: es fehlen die für uns selbstverständlichen Hochbehälter zur Erzeugung eines ausreichenden Wasserdruckes, um das Wasser „aus der Leitung laufen zu lassen“. Ansonsten hilft man eben mit einer Pumpe nach. Genau das wollte Francis aber unbedingt vermeiden – auch keine Solarpumpe – wie von Friedrich favorisiert. Nach der Erfahrung an der Gehörlosenschule in Sipili kann ich ihn verstehen – er hat auch ohne Pumpe schon genug Ärger mit ständig zu überwachenden technischen und sozialen Details. Kurz vor Abreise präsentiert er mir einen Plan eines zweistufigen Standgerüstes für einen Hochtank: hoch und groß genug, um die Solaranlage durchgehend mit Wasser zu versorgen und niedrig genug, damit der Wasserdruck ausreicht, um den Tank zu befüllen. Und einen zweiten, kleineren Tank, um das Regenwasser des Sanitärgebäudes aufzufangen und in die Waschbecken der Toiletten zu leiten. Da ich wenig Erfahrung besitze, frage ich zuhause an: Architektenfreund Klaus zweifelt, ob das Ganze auch gerechnet, oder nur geschätzt ist. Mein Ehemann Friedrich meint, gute Schätzwerte reichen – Rechnen kann man unter diesen Umständen nicht fordern. Und tatsächlich: es funktioniert – die Küche hat nun durchgehend kaltes und warmes Wasser. Der Bedarf an Feuerholz hatte sich bereits durch die neuen Energiesparherde um ca. 25 % verringert. Durch den Einsatz von Warmwasser sollte sich eine weitere Reduktion ergeben, auch wenn natürlich zu erwarten ist, dass ein Teil der Ersparnis durch den erhöhten Komfort und auch gesteigerten Reinigungsbedarf der neuen Küche wieder zunichte gemacht wird. Ist halt auch nicht anders als bei uns.
Das war im Wesentlichen das Ergebnis von zwei Wochen Pfingstferien. Einiges konnte gelöst werden – anderes, allen voran die Regenwasserbevorratung und die Frage der reduzierten Schulgelder – muss in die weitere Planung genommen werden. So gibt es wenigsten auch in Zukunft die Notwendigkeit für Reisen ins tropische Afrika.
Elke Bär